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I.2. Was ist Yoga?

 

 

YOGA =   Zusammenbinden, Anspannen, Anschirren, Verbindung, Einung, Übung

JÑĀNA =   Wissen, Erkenntnis, Weisheit

Es geht um den Übungs-Weg zur Erkenntnis des tieferen Sinns des Yoga und der allumfassenden Integration von Körper, Geist und Atem

      Der ständig bewegte und zerstreute Geist soll zentriert, beruhigt und klar werden

 

 

JÑĀNA-YOGA (YOGA-PHILOSOPHIE)

Yoga-Philosophie im ursprünglichen Sinn meint nicht die Theorie des Yoga, sondern das reflektierte und bewusste Gehen des Yoga-Weges. Gemeint ist die Bewusstseinsschulung der Wachheit für das, was wirklich zählt und Sinn macht in diesem Leben. Die Yoga-Philosophie heisst in der alten Fachsprache des Sanskrit Jñāna-Yoga

Als eigenständiger Übungsweg zählt Jñāna-Yoga (Yoga-Philosophie) zu den ältesten und bedeutendsten Übungsformen des Yoga. Die Yoga-Philosophie-Theorie spielt eine wichtige Rolle, bildet jedoch nur den Ausgangspunkt, von dem aus es in die Tiefe der eigenen Erfahrungen vorzustossen gilt. Es geht nicht nur ums Verstehen der Bedeutung von Yoga, sondern um das Verändern und Transformieren der eigenen Person. Ein reflektiertes, bewusstes Gehen des Yoga-Weges ermöglicht die Schulung der Wachheit für das, was wirklich zählt und Sinn macht in diesem Leben.

 

Die Yoga-Texte sind wichtig, um Orientierung zu gewinnen. Doch niemand gelangt nur durch das Lesen einer Landkarte ans Ziel und genauso verhält es sich mit den Yoga-Texten. Sie zeigen nicht die Wahrheit des Yoga, sie dienen nur als Werkzeug, als Vehikel, als Übungsmaterial. Sie sind als Sprungbrett nutzbar, das einen Erkenntnisprozess in Gang setzen kann (stehen bleiben = Festhalten am Sprungbrett). Den Weg des Jñāna-Yoga gehen heisst, springen zu lernen (Sprung in die Praxis und das Leben). So gilt es, den Blick von den Texten zu lösen, damit er frei wird für die eigene Erfahrung, für das eigene Leben und den eigenen Prozess der Transformation.

 

Haṭha bedeutet intensives Bemühen, Kraft und Hartnäckigkeit. Der Haṭha-Yogi übt mit dem Körper. Auch Reinigungs- und Atemübungen gehören dazu. Anstrengung ist nötig, um das hohe Ziel des Yoga, die Vereinigung von Körper, Geist und Atem, zu erreichen. Das Wort Haṭha setzt sich aus den beiden Sanskritwörtern „Ha“ für Sonne und „Ṭha“ für Mond zusammen. Sonne und Mond gelten als Symbole für die zwei Seiten der zunächst auseinandergefallenen Grundenergien des Körpers, die jedem Menschen eigen sind. Haṭha-Yoga hat die Vereinigung dieser beiden Seiten zum Ziel, die zur Erweckung der göttlichen Urkraft des Körpers führt.


 

Jñāna bedeutet Wissen, Weisheit, der intellektuelle Übungsweg der Erkenntnis. Der Jñāna-Yogi überlegt: „Was ist der Sinn des Yoga und der eigenen Praxis? Welcher Weg und welche Übungen sind für mich persönlich richtig?“ Er nutzt die Fähigkeit des Denkens und der Reflexion als Übungsinstrument.

 

Karma bedeutet Tat, handeln, eine Yogapraxis, die mitten in den Aktivitäten des Alltags geübt werden kann. Der Karma-Yogi handelt wie jeder andere Mensch auch. Er tut dies jedoch mit einer anderen Haltung, indem er nicht auf die Früchte des Handelns achtet, sondern die Bewusstheit für das im Augenblick Notwendige schult.

 

Bhakti bedeutet, Hingabe, Liebe, der Wandel im Herzen. Der Bhakti-Yogi gibt sich Gott im Ritual und Gebet existenziell hin, um so die Loslösung vom Anhaften an die Dinge der Welt zu fördern. Er übt die religiöse Hingabe an Gott, die eine neue Bewusstseinshaltung, eine Haltung der Liebe ist und die letztlich nicht nur Gott, sondern alle Wesen der Welt mit einschliesst.

 

Erst durch die religiöse Hingabe des Bhakti-Yogis gelangt der Karma-Yogi zu seiner eigentlichen Tiefe. Auch der Jñāna-Yogi erkennt durch seinen Weg der Bewusstseinsschulung nicht nur das Selbst, sondern Gott als den tiefsten Grund seiner Existenz. In der wechselseitigen Befruchtung und Förderung der Übungsformen liegt die grosse Chance, die Vielfalt der Yoga-Wege zu nutzen.

 

Das gewünschte Gleichgewicht von Körper, Geist und Atem erreicht Yoga durch die Harmonisierung der Guas, der drei Qualitäten des Seins: von Rajas, dem Bewegten und Dynamischen, von Tamas, dem Ruhenden und Stabilen sowie von Sattva, dem Lichten, Klaren und Reinen.

 

Neben der Harmonisierung von Tamas und Rajas gilt es, das Sattva zu kultivieren. Es geht um die Kompetenzen, im richtigen Moment aktiv, kraftvoll und zentriert zu sein, aber auch loslassen und entspannen zu können. Die Ausgeglichenheit der Guṇas zeigt sich im Körper in seiner Anpassungsfähigkeit, Gesundheit, Flexibilität und Kraft. Ein Gleichgewicht im Geist zeigt sich in einem wachen und klaren Verstand und in einer Harmonie von Wollen und Loslassen.

 

Der Yogaweg führt von aussen nach innen, denn nach yogischer Vorstellung ist im Inneren alles zu finden, was aussen gesucht wird. Ziel ist es, sich durch die Selbstreflexion (Svadhyaya) näher zu kommen. So wird der Körper zum Lesebuch, um Muster aufzudecken und Bewusstheit zu erfahren. Eine präzise Ausrichtung, zum Beispiel in den Asanas, deckt auf, welchen Muskeln Spannung fehlt und welche unnötig festhalten und so die Beweglichkeit einschränken. Das Studieren der Körperweisheiten ist dabei ein stiller, herausfordernder Dialog. Indem feinfühlig mit dem Körper umgegangen wird, lernt man sich selbst besser kennen. Übertriebener Ehrgeiz, fehlende Motivation, Überbelastung und Verspannungen bis zur Fehlbelastung der Gelenke lassen sich aufdecken.

 

Ein rücksichtsvoller Umgang mit sich selbst lässt sich von der Yoga-Matte ins Leben übertragen. Er bedeutet, die ethischen und sozialen Leitsätze des Yoga ins Leben zu integrieren und auf jeglichen Zwang zu verzichten. Es gilt, ehrlich zu sich selbst zu sein sowie die individuellen Stärken und Schwächen wertfrei wahr- und anzunehmen. Wenn es gelingt, sich von Konditionierungen, Meinungen und Konzepten zu trennen, wird der Weg frei für ein Leben im Einklang mit sich selbst und der Welt. Quelle 1

Zusammenfassung aus: dem Yoga-Philosophie-Atlas von Wolz-Gottwald Eckard S.7-10/79-81/138 und MEDICAL YOGA, anatomisch richtig üben von Dr. med. Christian Wolff, Eva Hager-Forstenlecher S.14-18


 

ÜBUNGEN IM ALLTAG 

Bei den untenstehenden Übungen für den Alltag geht es weniger darum, ein Ziel oder eine Aufgabe anzustreben. Vielmehr geht es darum, sich zu beobachten, ohne zu werten, und dabei sich selbst besser kennen zu lernen. Sich bewusst werden: was fühlt sich anders an, wenn die Aufgabe gelungen oder nicht gelungen ist. Sich dabei in Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, zu üben (in Taten, Worten und Gedanken, anderen wie auch sich selbst gegenüber). Somit können wir uns mehr und mehr in der Feinstofflichkeit erkennen und bewusst werden.

Viel Spass beim Üben

  1. Versuche in deinem Alltag möglichst bewusst und mit Gleichmut zu handeln und dich weniger an den Früchten deines Handelns zu orientieren.
  2. Versuche dich über einen längeren Zeitraum bei möglichst vielen Verrichtungen in Achtsamkeit zu üben.
  3. Probiere es dir zur Gewohnheit zu machen, dich im Kontakt mit deinen Mitmenschen bewusst in der Gegend des Herzens zu situieren.